Vortrag von Herrn Dr. Heribert Koch zur 51. Kreuznacher Wintertagung
DLR Rheinhessen Nahe Hunsrück, Abteilung Landwirtschaft, 55545 Bad Kreuznach
Im Laufe der letzten 10 Jahre hat es in der Pflanzenschutztechnik einen bedeutenden Wandel gegeben. Feintropfige Applikation wurde als wesentliche Ursache von Abdrift eingestuft und wird in allen Anbaubereichen kontinuierlich durch grobtropfige Technik ersetzt. Ausgelöst durch die veränderte Risikobewertung im Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel, wurde Abdrift als bedeutender Eintragspfad in Gewässer und Saumstrukturen gesehen und die bekannten bußgeldbewehrten Anwendungsbestimmungen (Abstandsauflagen) eingeführt. Klares Ziel ist es deshalb, Abdrift zu vermeiden. Da Abdrift in hohem Maße durch feine Tropfen entsteht, wurde grobtropfige Applikationstechnik erforderlich. Parallel zu dieser Entwicklung auf Zulassungsebene wurde von den Pflanzenschutzdiensten intensiv untersucht, wie der Wechsel von feintropfiger zu grobtropfiger Applikation sich hinsichtlich der biologischen Wirksamkeit auswirkt. Uneingeschränkt gilt, dass Pflanzenschutzmittel mit dem Ziel der Wirkung gegen Schadorganismen angewendet werden. Erst an zweiter Stelle kommt die Abdriftminderung.
Heute kann gesagt werden, dass die biologische Wirksamkeit auch mit der jetzt breit untersuchten Technik nicht eingeschränkt ist und dass tendenziell höhere Belagsmassen auf den Pflanzen erreicht werden.An Weinreben wird diese Aussage begründet mit fast 10-jährigen Versuchsergebnissen und der Tatsache, dass inzwischen zahlreiche Betriebe grobtropfige Düsen erfolgreich verwenden. Andererseits ist der Anteil an umgerüsteten Sprühgeräten im Weinbau bisher sehr gering und wird auf weniger als 3% geschätzt, so dass hier ein großes Potenzial für Weinbaubetriebe erkennbar ist.
Was ist grobtropfig?

Abb.1: vier Generationen der Düse Albuz ATR gelb, sowie andere feintropfige Hohlkegeldüsen
Im Pflanzenschutz verwendete Düsen erzeugen ein Tropfenspektrum, d.h., Tropfen unterschiedlicher Größe. Die Tropfengröße nimmt allgemein gesehen mit zunehmendem Arbeitsdruck ab. Feine Tropfen lassen sich weniger gut zielgerichtet transportieren und werden von jeder Luftbewegung weggetragen. Ein hoher Anteil feiner Tropfen bedeutet daher immer ein hohes Verlustpotenzial durch Verdunstung bei Windstille und Driftpotenzial unter Windeinwirkung.


Abb. 2 und 3:
Solche Bilder sind vermeidbar durch Düsenwechsel oder Geräte mit Querstromeffekt.
Sprühnebel über dem Bestand führt selbst bei Windstille zu hohen Wirkstoffverlusten.
Seit über 20 Jahren werden im Weinbau Albuz-ATR-Düsen sehr verbreitet eingesetzt (Abb.1). Diese kurz gebauten Hohlkegeldüsen – insbesondere die Größen gelb, orange und rot - sind ebenso wie andere vergleichbare Düsen funktionssicher und problemlos im Einsatz. Großer Nachteil aus heutiger Sicht ist der große Feintropfenanteil, den solche Düsen erzeugen. Als Feintropfenanteil bezeichnet man den Flüssigkeitsanteil, der in Tropfen kleiner 100µm (=0,1mm) ausgestoßen wird. Albuz-ATR-Düsen liegen hier bei 15- 20% je nach Druck und Kaliber. Dieser hohe Feintropfenanteil wirkt sich besonders nachteilig aus bei Gebläsesprühgeräten, wenn die Tropfen über die Laubwandhöhe hinaus geblasen werden. Da die kleinen Tropfen sehr schnell schweben, können sie den Bestand nicht mehr erreichen und verdunsten. Die Verluste werden dabei auf 30% der ausgebrachten Produktmenge geschätzt. Gröbere Tropfen können dagegen durch Schwerkraftwirkung wieder herabsinken und dann auch zum Teil noch den Bestand erreichen und so zur Wirkung beitragen. Entsprechende in der Praxis erprobte grobtropfige Spritztechnik zeigt insgesamt höhere Belagsmassen, was als grundsätzlich vorteilhaft anzusehen ist.
Feintropfige Applikation ist gekennzeichnet durch die bekannten großen Sprühnebelwolken. Diese Tropfenwolken sind weithin sichtbar und zeigen an, dass ein großer Anteil der ausgebrachten Wirkstoffmenge nicht angelagert wird und verloren geht.

Abb. 4:
Vermeidung abdriftgefährdeter Feintropfen durch Verwendung von verlustmindernden Düsen,
hier AVI 80 015. Sprühwolken sind nicht mehr erkennbar.
Es ist also im betriebswirtschaftlichen Interesse des Winzers, diese Verluste zu minimieren.
Sprühnebel ist bei grobtropfiger Applikation kaum sichtbar, so dass in der Praxis Unsicherheit entsteht, weil befürchtet wird, dass Düsenverstopfung nicht rechtzeitig erkannt wird. Dem kann jedoch durch geeignete Filterung vorgebeugt werden.
BBA-Verzeichnis „Verlustmindernde Geräte“
Umfangreiche Abdriftmessungen sind erforderlich, um der Praxis Handlungsspielraum hinsichtlich der Einhaltung der Abstandsauflagen zu eröffnen. Geeignete Geräte und Verfahren werden nach entsprechender Prüfung von der BBA in das Verzeichnis „Verlustmindernde Geräte“ eingetragen. Das DLR RNH führt solche Messungen durch und liefert der BBA die Datensätze. Für den Weinbau sind inzwischen zahlreiche Gerätetypen, aber auch grobtropfige Düsen in allen Sprühgerätetypen registriert und sollten von der Praxis mehr als bisher genutzt werden.
In der Anlage ist das aktuelle Verzeichnis in Kurzform dargestellt und liefert den Winzern wertvolle Informationen. Das Kurzverzeichnis wird vom DLR RNH regelmäßig aktualisiert und kann auf der Internetseite des DLR eingesehen werden (www.dlr.rlp.de).
Belagsmessungen zeigen: mehr Belag bei grobtropfiger Applikation
Tropfen mit mehr als 100 – 150µm Durchmesser werden ballistisch, also wie eine Gewehrkugel beschleunigt und fliegen auf einer Flugbahn bis auf einen Auftreffpunkt. Demgegenüber werden sehr feine Tropfen bereits nach kurzer Zeit und Wegstrecke von der Umgebungsluft abgebremst und sind dann jeder Luftbewegung ausgesetzt. Aus umfangreichen Belagsmessungen in den verschiedensten Kulturen ist belegt, dass die Belagsmassen beim Einsatz von grobtropfiger Technik meist erhöht sind, so dass es nicht verwundert, wenn auch die biologische Wirksamkeit nicht schlechter ist. Im Weinbau sind solche Untersuchungen im Laufe der letzten 10 Jahre durchgeführt worden, mit positivem Ergebnis. In der Praxis laufen auch sensorgesteuerte Sprühgeräte mit grobtropfigen Fachstrahldüsen mit bestem Erfolg und erheblicher Produkteinsparung.

Abb. 5:
Die Ergebnisse von 100 Versuche zur biologischen Wirksamkeit zeigen einen tendenziellen Vorteil grobtropfiger Applikation im Rebschutz, ein Vorteil, den die Betriebe nutzen sollten.

Abb. 6:
Aktuelle Belagsmessungen an Reben (Beeren und Rappen), hier 3 Untersuchungen aus Bad Kreuznach im Jahr 2005,
bestätigen stets höhere Belagsmassen am Stielgerüst, so dass auch damit eine Begründung für die biologischen Ergebnisse gegeben werden kann.
Wechsel von feintropfigen Hohlkegeldüsen zu grobtropfigen Düsen
Nachdem langjährige Untersuchungen zeigen, dass feintropfige Applikation auch im Rebschutz mehr Nachteile als Vorteile hat, geht es um Möglichkeiten zur Geräteumrüstung.
Zunächst ist aus den Düsentabellen einfach abzuleiten, wie die vorhandenen Düsengrößen bei gleicher Ausbringmenge ersetzt werden können. Wer jetzt eine Albuz ATR gelb bei 10 bar einsetzt, kann in der Tabelle sehen, dass der Volumenstrom bei 1 lmin angegeben ist. Dieser Düsenausstoß wird z.B. bei einer AVI 80 015 bei etwa 9 bar erreicht.
Nach einem Düsenwechsel kann man also ohne weitere Besonderheiten weiterarbeiten. Grundsätzlich ist es aber sinnvoll und notwendig, das Sprühgerät regelmäßig auszulitern, nur dann kann man kontrollieren und sicherstellen, dass ein Sprühgerät das tut, was es tun soll.
In der Praxis bestehen Befürchtungen, dass die relativ langen Injektordüsen bei der Arbeit durch Hindernisse abbrechen können. Insbesondere sehr lange Düsen, wie z.B. die ID 90 er Serie (Lechler) ragen sehr weit über den Düsenstock hinaus, so dass im rauen Alltagsbetrieb solche Probleme auch auftreten können. Die Gefahr ist mit den etwas kürzer gebauten Düsen (z.B. AVI-80°-Reihe) schon erheblich reduziert. Um Beschädigungen zu vermeiden ist ggf. ein entsprechender Schutz hilfreich.
Wenig bekannt, aber eine wirklich praxisgerechte Lösung bieten die ebenfalls von der BBA in Verbindung mit bestimmten Sprühgerätetypen als abdriftmindernd eingetragenen Anti-Drift-Düsen, die nicht größer sind als Albuz-ATR-Düsen. Es handelt sich hier um 80°-Flachstrahldüsen der Firmen Lechler (AD-Typen) und Teejet (DG-Typen). Diese Flachstrahldüsen sind ebenfalls mit einem Vorzerstäuber als Dosierblende versehen und werden bei einem Arbeitsdruck zwischen 2 und 5 bar eingesetzt. Für den Winzer mag der niedrige Arbeitsdruck ungewohnt sein, Einschränkungen bei der biologischen Wirksamkeit gibt es aber nicht, weil die Tropfen vom Gebläseluftstrom transportiert werden. Allerdings muss geprüft werden, ob der im Sprühgerät montierte Druckregler bei diesem geringen Arbeitsdruck funktionssicher arbeitet. Insbesondere ältere Druckregler-Modelle müssen hier ggf. ausgewechselt werden, da Sprühgeräte früher mit sehr hohem Druck bis zu 40 bar gefahren wurden. Für diese Überprüfung kann die Gerätekontrolle bestens genutzt werden.
In der Weinbaupraxis werden häufig unterschiedliche Düsengrößen montiert, mit dem Ziel, in der Traubenzone „mehr“ zu dosieren. Diese Überlegung kann aber durch Untersuchungen nicht bestätigt werden. Vielmehr sollte eine gleichmäßige Vertikalverteilung angestrebt werden. Dies ist am einfachsten möglich, wenn Düsen eines Kalibers an allen Positionen montiert sind.
Fazit
Die seit vielen Jahren in Sprühgeräten verwendeten feintropfigen Albuz-ATR-Düsen sollten ausgewechselt werden. Damit wird erreicht:
- höhere Belagsbildung, auch an Beeren und Stielgerüst
- Reduzierung der Verluste, weil grobere Tropfen durch die Schwerkraft wieder im Bestand sedimentieren und damit zur Belagsbildung beitragen.
- Vermeidung großer und weithin sichtbarer Sprühwolken und damit Imageverbesserung.
Zur Umrüstung stehen verschiedene Düsentypen zur Verfügung, z.B. 80°-AVI-Düsen oder sehr klein gebaute Antidriftdüsen der Serien 80°-DG (Teejet) bzw. 90°-AD (Lechler). Antidriftdüsen werden mit geringem Druck zwischen 2 und 5 bar gefahren. Deshalb muss sichergestellt sein, dass der Druckregler in diesem Arbeitsbereich exakt arbeitet.
In jedem Fall wird durch verlustmindernde Technik die biologische Wirksamkeit nicht beeinträchtigt. Umfangreiche Untersuchungen in Deutschland belegen dies ebenso, wie der Einsatz solcher Düsen in etwa 3% der Weinbaubetriebe.
Im Rahmen der Gerätekontrolle kann jeder Winzer die Umrüstung rasch und mit geringen Kosten erreichen. |
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