Oidiumproblematik 2008 – Wo lagen die Ursachen ?

Vortrag von Herrn Dr. Georg K. Hill und Herrn Jürgen Wagenitz, DLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück,
anläßlich der 53. Kreuznacher Wintertagung 2009

2008 kam es in allen rheinlandpfälzischen Anbaugebieten flächendeckend zu hohem Befallsdruck durch Oidium. Das letzte „große“ Oidiumjahr war 2004, danach blieb der Befall im Gebiet mäßig oder sogar -wie 2007- sehr gering. Die Frage ist, wie es zu starken Infektionen an den Trauben kommen konnte, obwohl in aller Regel eine sorgfältige Spritzung erfolgte.

Mai: Turbo für Pilz und Rebe
Nach einem ziemlich späten Austrieb um den 3. Mai 2008 waren die Folgewochen teilweise sommerlich warm und die bekannten Eisheiligen fielen völlig aus. So kam es, dass bereits am 3. Juni, also 30 Tage nach dem Austrieb in frühen Lagen die Blüte begann und bis 12. Juni beendet war. Späte Lagen fielen in einen kurzzeitigen Kälteeinbruch, waren aber bereits um den 20. Juni durchgeblüht. Später Austrieb und frühe Blüte – diese Situation führte zur raschesten Rebentwicklung, die wir in der Phänologie jemals festgestellt haben (Abb. 1). Erst Ende des trockenen Monats Mai kam es zu Gewitterregen, die örtlich mit Hagelschäden verbunden waren und auch Erosionsschäden auslösten. Nicht selten wurden die hagelgeschädigten Flächen als Folge der Entwicklungsverzögerung an den Trauben später zu den Brennpunkten bei Oidium.



Abbildung 1: Die grün gepunktete Linie zeigt die Blattflächenentwicklung der Reben 2008
(Rebsorte Riesling)

Die warmen Verhältnisse ohne Kälterückschläge waren aber auch für Oidium sehr günstig. Zwischen Infektion und Neubildung von Sporen lagen Ende Mai 2008 theoretisch nur 6 Tage! Allerdings ist zu bemerken, dass auch die (problemlosen) Vorjahre 2006 und 2007 eine ähnlich warme Maiwitterung aufwiesen und in 2007 auch ungenügend abgedeckte Parzellen gesunde Trauben aufwiesen. Im Gegensatz zu 2007 wurden aber 2008 Oidium-Zeigetriebe gefunden. Von der sehr anfälligen Sorte Cabernet Dorsa datieren erste Zeigertriebfunde bereits vom 21. Mai, also etwa 12 Tage vor Blütebeginn. Damit war zu erwarten, dass als Folge von stärkeren Knospeninfektionen 2007 die Krankheit 2008 bereits zu Blütebeginn ziemlich aggressiv auftreten würde. Für die anstehende letzte Spritzung vor der Blüte wurde zum Einsatz von Mitteln aus den neuen Wirkstoffgruppen geraten, möglichst solche, die auch bei bereits vorhandenem Befall eine gewisse kurative Wirkung gewährleisten. Ein Problem war nachfolgend der enorm starke Zuwachs an den Trauben, welcher den ausgebrachten Wirkstoff rasch verdünnte und prinzipiell kürzere Spritzintervalle verlangte, die aber aus arbeitstechnischen Gründen oft nicht einzuhalten waren.

Befallsverlauf 2008
Die Verhältnisse waren vor der Blüte nahezu ideal für Oidium. Noch nie konnten wir in den langjährig unbehandelten Pilotflächen, in denen Zeigertriebe vorhanden waren, einen derart raschen Befallsaufbau an den Blättern feststellen (Abb. 2). Interessanterweise entwickelte sich der Befall in Parzellen ohne Zeigertriebe zunächst nur zögerlich. Erste Meldungen über Oidium-Traubenbefall im Stadium Erbsengröße der Beeren kamen aus frühen Lagen bei Bingen bereits zwischen dem 23. und 30. Juni, also noch vor Traubenschluss. Dies sollte erst die Spitze des Eisbergs sein und die Mehrzahl der Winzer bis Ende Juli in Atem halten!






Dass 2008 die bisher perfekt funktionierenden Spritzfolgen nicht überall Befallsfreiheit gewährleisten konnten, war für viele Betriebsleiter nach 3 Jahren mit schwachem Auftreten der Krankheit ein regelrechter Schock. Das Vorjahr 2007 wies ein ebenso warmes Frühjahr auf, trotzdem entwickelte sich Oidium verzögert und blieb ohne Bedeutung: Es fehlten damals die Zeigertriebe! Dabei ist festzustellen, dass neben den typischen, ganz von weißem Pilzmycel bedeckten Zeigertrieben auch nur einzelne Flecke am Trieb oder an Blattzipfel auftreten können, die der Beobachtung meist entgehen. Wichtig ist zu wissen, dass aus den Knospeninfektionen immer ein früher Oidiumbefall resultiert, der den Einsatz besonderer Mittel verlangt.
Auffällig war 2008 die starke Lageabhängigkeit des Befalls. Unzureichend behandelte Nachbarzellen mit Zeigertrieben fungierten als „Samenträger“ für ganze Gewanne. Besonders kritisch ging es aus, wenn oidiumanfällige Sorten wie Portugieser nicht exakt geschützt waren, da von diesen Flächen schon sehr früh ein massiver Ausstoß von Sporen erfolgte. Daher war die allgemeine Beobachtung, dass erprobte Spritzfolgen im Großteil der Parzellen zwar gute Ergebnisse brachten, an „Hot Spots“ jedoch fallweise Schwächen zeigten. Dies muss natürlich im Zusammenhang mit dem enormen Wuchs der Reben gesehen werden, wodurch nur selten eine absolut nahtlose Abdeckung des Neuzuwachses an den Trauben zu erzielen war. Zu permanenten Bekämpfungsproblemen kam es bis Ende Juli in aller Regel in der Nähe von stark befallenen Parzellen, die ständig für neuen Zuflug von Sporen sorgten. Wo die Situation rechtzeitig erkannt wurde, gelang es, den Befall zuverlässig mit Prosper zu stoppen, wenn die Applikationstechnik (hohe Wassermengen) stimmte.

Die letzten beißen die Hunde!
Auch 2008 haben sich die Gesetze der Stadienresistenz der Beeren gegenüber Oidiuminfektionen wieder bestätigt. Sobald die Beeren starke Erbsengröße erreicht haben, kommt es nicht mehr zu neuen Infektionen, allerdings kann vorhandenes Mycel noch weiter wachsen. Die Beobachtungen über Neubefall bis zum Weichwerden der Beeren beruhen also auf viel früher stattgefundenen Infektionen. Da der Befallsdruck des Erregers vor der Blüte noch gering ist, passieren die Trauben an warmen Standorten und bei Sorten mit früher Blüte rascher die hochanfällige Phase bis Schrotkorngröße der Beeren. An späten Standorten und bei spätverblühten Sorten (Hagelparzellen!) trifft der hohe Infektionsdruck auf hochanfällige Trauben.

Nicht zuletzt deswegen waren 2008 weniger die sehr frühen Lagen, sondern eher mittlere bis späte Lagen das Problem. Dies erklärt auch, warum Riesling ebenfalls betroffen war, obwohl die Sorte eher als weniger oidiumanfällig gilt. Ausnahme bilden viele Hanglagen an der mittleren und oberen Nahe, die aufgrund Ihrer Standortbedingungen per se ein etwas geringeres Risiko aufweisen.

Schwachstellenanalyse: Oidiumumfrage 2008
Die 2008 vom DLR bei 350 Praxisbetrieben in Rheinhessen und an der Nahe erhobene Umfrage ergab, dass 50% der Winzer keinerlei Oidiumprobleme hatten. Andererseits gab es einzelne „verseuchte“ Gemarkungen, wo die Hälfte der Parzellen mehr oder minder starken Befall aufwies.
Über das gesamte Erhebungsgebiet hinweg waren letztlich wohl nicht mehr als 5% der Fläche von starkem Befall mit verbreitetem Samenbruch betroffen. Die Erträge des Herbstes 2008 zeigen auch, dass Oidium aufgrund der erfolgreichen Stoppspritzungen und des kühlen Herbstes letztendlich mengenmäßig nicht negativ zu Buche geschlagen hat.
Angesichts der Vielfalt von Spritzfolgen und Einsatzverhältnissen ließen aus der Umfrage lediglich Tendenzen für die Probleme in 2008 ableiten:
  • Frühspritzungen mit Schwefel im 3-Blatt-Stadium (ca. 10. Mai) und im 7-8 – Blatt-Stadium (15.-20. Mai) brachten 2008 keine klaren Vorteile. Die Spritztermine unmittelbar vor Blüte und die beiden folgenden Behandlungen waren dagegen von entscheidender Bedeutung
  • Wie erwartet brachte der Einsatz von Mitteln mit irgendwie gearteten "kurativen" Eigenschaften wie Flint, Cabrio Top, Collis oder Prosper in kurzen Abständen deutlich mehr Sicherheit.
  • Spar-Spritzfolgen mit Einsatz von Azolen (Topas, Systhane) im Blütebereich brachten fast immer Risiko
  • Wider Erwarten erwies sich das Befahren nur jeder zweiten Gasse nach der Blüte, inzwischen von 50% der Betriebe praktiziert, nicht als nachteilig
  • Wassermengen über 300 L/ha (bei voller Belaubung) schnitten tendenziell besser ab, unter 250 L/ha gab dagegen vermehrt Probleme
  • Die Spritzintervalle waren in Problemflächen 2008 fast immer zu lang. Eindeutige Hinweise auf Resistenzen bei den neuen Wirkstoffen gab es nicht. Es ließ sich allerdings eine klare Einstufung hinsichtlich der Wirkungspotenz treffen. Wo bereits zu Blütebeginn Traubenbefall auftrat, erwiesen sich Mittel mit ausschließlich vorbeugender Wirkung nicht immer als sicher


Rezepte für 2009?
Die Schwierigkeiten in der Bekämpfung 2008 beruhten auf dem hohen Befallsdruck bereits zu Blütebeginn. Derzeit rechnen wir für 2009 ebenfalls wieder mit erheblichem Vorbefall in Form von Knospeninfektionen. Daher gilt es, vor Blütebeginn den Befall wirksam zu stoppen. Mittel mit ausschließlich vorbeugender Wirkung können vorhandenen Befall nicht mehr tilgen und führen bei zu weiten Spritzabständen nicht selten zu Traubenbefall. Für 2009 die neueren Oidiummittel systematisch nach den Kategorien „vorbeugend“ und „leicht kurativ“ im Wechsel einsetzen. Dabei strikte Blockspritzungen mit geeigneten Kombinationen in der Spritzfolge einhalten. Resistenzmanagement wird überlebenswichtig bei den Strobilurinen. Diese sollten angesichts der nahenden Resistenz aus Ungarn und Österreich nicht mehr als zweimal in der Spritzfolge des Jahres auftauchen. Neue Wirkstoffe sind glücklicherweise in Sicht. Möglicherweise verfügen wir bereits im Mai über ein weiteres Präparat, das zusätzliche Möglichkeiten eröffnet.

Die Aussagen für 2009 lauten derzeit:
  • erneut erhöhter Oidiumdruck zu erwarten
  • die Gesetze der Stadienresistenz sind nach wie vor gültig. Neuinfektionen an den Beeren sind ab Traubenschluss nicht mehr möglich. Vorhandenes Mycel kann weiter wachsen bis zum Weichwerden
  • strikte Einhaltung von Blockspritzungen vom Stadium „10 Blätter entfaltet“ bis „Traubenschluss“ ist notwendig, dazu exaktes Systemprogramm einhalten
  • der Einsatz von kurativen Mitteln bereits im 5-6-Blatt Stadium kann in Problemflächen zur Abstoppung von Zeigertrieben in Frage kommen
  • abzuwarten bleibt die Auswirkung der noch folgenden Winterfröste auf die Überwinterung von Oidiummycel in den Knospen.

Detaillierte aktuelle Information erhalten Sie mit unserer Rebschutzbroschüre im März. Unser Rebschutzseminar Nahe mit Schwerpunktthema Oidium findet am 17. März, 14.00 Uhr, in der Aula des DLR in Bad Kreuznach statt.

hill_wagenitz.pdf

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